Zimmer mit Ausblick
von Inka Schube
2015
Geeske Janßen ist mittendrin. Es ist ihr Leben, nah und unmittelbar, das ihr ihr Material bietet. Ihr künstlerisches Tun findet Form in Untersuchungen, deren Themen die eigene Biografie liefert. Die Fotografie zeichnet auf, was Janßen während ihrer Recherchen zu den Auf- und Unauffälligkeiten des Alltäglichen und in diversen Versuchsanordnungen dazu an Bemerkenswertem entdeckt.
Geeske Janßen hat Darstellendes Spiel und Kunst in Aktion und im Nebenfach Germanistik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig studiert. Der Medienkunst widmet sie sich zurzeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Und schon der so gewählte Weg belegt, dass es ihr um das sogenannte ‚gute Bild‘ und vielleicht auch um einen klassischen Begriff von Autorenschaft nicht geht.
Die Fotografien von Geeske Janßen sind stets das Ergebnis mal mehr mal weniger spielerischer Prozesse, häufig gebunden an Begegnungen mit Menschen, die sie interessieren.
Dazwischen blitzen in Einzelbildern Augenblicke von betörender Schlicht- wie Schönheit auf:
Man muss sich das erst einmal trauen – die Aufnahme des Rücken eines Rindes im Sonnenlicht, kombiniert mit der Aufnahme eines mistverschmutzen Weges ‚Der Bauernhof‘ zu nennen. Geeske Janßen tut es, und sie beweist damit ein Verständnis für Essenzielles und vielleicht auch eine dem Norddeutschen häufig zugesprochene Neigung zur Wortkargheit, zum Understatement: Warum viele Bilder machen, wenn schon diese beiden Fotografien, Kuh und Weg, nachdrücklich bezeugen, welch sinnliches Glück im Eins-Sein mit der ‚Schöpfung‘ und welche Härte im bäuerlichen Alltag zu liegen vermag? Es ist tatsächlich verblüffend, mit wie wenig Geeske Janßen dies vermittelt, und eben dieses Leichte, Unangestrengte, Karge durchzieht all ihre Arbeiten, obwohl sie doch nahezu immer sehr ernste, tiefe Themen berühren:
Wie ist das mit dem Glauben für Menschen, die ihn zum Beruf gemacht haben, damit ihr Geld verdienen? Wo finden sie ihren ganz persönlichen Gott, in welcher Situation treffen sie ihn – gibt es Orte, an denen für sie Gott ‚wohnt’?
Geeske Janßen dokumentiert die Ergebnisse einer Recherche, zeigt vor, was sie erfahren hat. Überraschender Weise zeigt keine der Fotografien eine Kirche oder Kapelle: Gott wohnt hier offenbar an ganz banalen Orten, mitten im Alltag. Vielleicht wäre es Geeske Janßen nicht sonderlich schwer gefallen, den Wohnzimmertisch, die Landschaft, die Werkbank in jenes fotografische Zauberlicht zu tauchen, das schon den Rücken des Rindes zu einer Art Sinnbild des Kreatürlichen macht. Aber Janßen besichtigt die privaten Rückzugsorte der Kirchenmänner und-Frauen aus großer Distanz – sie führt sie nicht vor, macht sie nicht öffentlich, nicht jedermann zugänglich: Es sind und bleiben persönliche und damit geschützte Orte, zu denen die Bilder einen emotionalen Zugang verstellen.
GLAUBEN scheint ein zentrales Thema für Janßen zu sein. Aufgewachsen in einem Pastorenhaushalt ist sie mit Fragen nach seiner Rolle und seiner Bedeutung offenbar dauerhaft konfrontiert.
Es gibt da zum Beispiel diese Fotografie, die heißt DER SPRUNG. Sie ist nicht sonderlich groß und zeigt schemenhaft eine menschliche Gestalt, erdenschwer, nicht wirklich springend. Die Füße verlieren den Halt, der Körper streckt sich, ein Arm scheint – in einer Geste der Verzweiflung – den Kopf zu schützen. Auch hier wieder bleibt die Inszenierung nachvollziehbar, geht es nicht um Illusion. Da stäubt etwas von vielleicht mehliger Unschärfe ins Bild und auch eine Kunststofffolie scheint im Spiel zu sein – und dennoch liegt im Ausdruck der Figur fast eine Tragik. Die oder der da zu springen versucht, ist ein Ecce Homo, eine Leidensgestalt, ein Gott- oder Glaubenssucher. Doch der besondere Charme dieser Arbeit entspringt auch hier wiederum der knappen, fast spielerisch-unpathetischen Form.
Die Fotografien von Geeske Janßen sind stets das Ergebnis mal mehr mal weniger spielerischer Prozesse, häufig gebunden an Begegnungen mit Menschen, die sie interessieren.
Dazwischen blitzen in Einzelbildern Augenblicke von betörender Schlicht- wie Schönheit auf:
Man muss sich das erst einmal trauen – die Aufnahme des Rücken eines Rindes im Sonnenlicht, kombiniert mit der Aufnahme eines mistverschmutzen Weges ‚Der Bauernhof‘ zu nennen. Geeske Janßen tut es, und sie beweist damit ein Verständnis für Essenzielles und vielleicht auch eine dem Norddeutschen häufig zugesprochene Neigung zur Wortkargheit, zum Understatement: Warum viele Bilder machen, wenn schon diese beiden Fotografien, Kuh und Weg, nachdrücklich bezeugen, welch sinnliches Glück im Eins-Sein mit der ‚Schöpfung‘ und welche Härte im bäuerlichen Alltag zu liegen vermag? Es ist tatsächlich verblüffend, mit wie wenig Geeske Janßen dies vermittelt, und eben dieses Leichte, Unangestrengte, Karge durchzieht all ihre Arbeiten, obwohl sie doch nahezu immer sehr ernste, tiefe Themen berühren:
Wie ist das mit dem Glauben für Menschen, die ihn zum Beruf gemacht haben, damit ihr Geld verdienen? Wo finden sie ihren ganz persönlichen Gott, in welcher Situation treffen sie ihn – gibt es Orte, an denen für sie Gott ‚wohnt’?
Geeske Janßen dokumentiert die Ergebnisse einer Recherche, zeigt vor, was sie erfahren hat. Überraschender Weise zeigt keine der Fotografien eine Kirche oder Kapelle: Gott wohnt hier offenbar an ganz banalen Orten, mitten im Alltag. Vielleicht wäre es Geeske Janßen nicht sonderlich schwer gefallen, den Wohnzimmertisch, die Landschaft, die Werkbank in jenes fotografische Zauberlicht zu tauchen, das schon den Rücken des Rindes zu einer Art Sinnbild des Kreatürlichen macht. Aber Janßen besichtigt die privaten Rückzugsorte der Kirchenmänner und-Frauen aus großer Distanz – sie führt sie nicht vor, macht sie nicht öffentlich, nicht jedermann zugänglich: Es sind und bleiben persönliche und damit geschützte Orte, zu denen die Bilder einen emotionalen Zugang verstellen.
GLAUBEN scheint ein zentrales Thema für Janßen zu sein. Aufgewachsen in einem Pastorenhaushalt ist sie mit Fragen nach seiner Rolle und seiner Bedeutung offenbar dauerhaft konfrontiert.
Es gibt da zum Beispiel diese Fotografie, die heißt DER SPRUNG. Sie ist nicht sonderlich groß und zeigt schemenhaft eine menschliche Gestalt, erdenschwer, nicht wirklich springend. Die Füße verlieren den Halt, der Körper streckt sich, ein Arm scheint – in einer Geste der Verzweiflung – den Kopf zu schützen. Auch hier wieder bleibt die Inszenierung nachvollziehbar, geht es nicht um Illusion. Da stäubt etwas von vielleicht mehliger Unschärfe ins Bild und auch eine Kunststofffolie scheint im Spiel zu sein – und dennoch liegt im Ausdruck der Figur fast eine Tragik. Die oder der da zu springen versucht, ist ein Ecce Homo, eine Leidensgestalt, ein Gott- oder Glaubenssucher. Doch der besondere Charme dieser Arbeit entspringt auch hier wiederum der knappen, fast spielerisch-unpathetischen Form.
In DIE GOLDENE REGEL von 2012 befragt Geeske Janßen Paare, die schon mehr als 50 Jahre, miteinander leben, danach, ob es Regeln gäbe, die dies ermöglichen.
Wieder fotografiert sie ganz und gar lapidar. Es sind keine Porträts im klassischen Sinne, keine fotografischen Feiern von menschlicher Individualität. Die Fotografien dienen ganz klar der Funktion, den Texten Gesichter zuzuweisen – zu zeigen, wie ähnlich einander Mann und Frau über ein langes gemeinsames Leben werden können. Selbst ihre Handschriften scheinen sich gelegentlich zu ähneln.
Und hier wird offensichtlich, dass dieser für Janssen typische, trockene, ernsthafte, tiefe Humor für sie im Leben selbst zu liegen scheint – solange der Blick frei von Pathos und Sentiment gehalten wird. Und man muss ein wenig lächeln darüber, wie schlicht das klingen kann, was doch eigentlich die Substanz einer solchen Lebensgemeinschaft beschreibt – Tierfilme soll man schauen, gut mit Geld umgehen können und viel Sport treiben...
Es ist ein ähnlich unterschwelliger Humor im Spiel, wenn jemand eingesteht, eine eher unscheinbar anmutende Partie seines Körpers für besonders erotisch zu halten. Doch zeigt Humor sich hier als subversives Mittel, denn in diesen lapidaren, unprätentiösen, unaufgeregten Bildern liegt eine massive Abweichung von dem, was wir zu wissen glauben, was wir für normal zu halten gewohnt sind. Und schon wie bei den Glaubensorten schert es die Künstlerin nicht wirklich, ob wir die Perspektive der Erzählung nachvollziehen können – ob wir Erotik in diesen Bildern wirklich sehen können – wahrscheinlich liefe das sogar gegen ihr Interesse. Janßen will nicht verführen: Sie zeigt einfach vor, was sie heraus findet – das Leben selbst ist doch schon aufregend genug – und schert sich nicht um Playboy und Co.
Geeske Janßens Arbeiten umgibt nicht selten der Charme des Mädchenzimmers, in dem erprobt, erbastelt und erspielt wird, Triviales und Existentielles ebenso dicht beieinander liegen wie Abstürze und Höhenflüge. Diese Höhle bietet eine sichere Deckung, einen Schutzraum, aus dem heraus die Welt betrachtet wird. In ihm wird das ICH im Verhältnis zur Außenwelt immer wieder neu ertestet, und selbstverständlich sind auch die Eltern in diese ernsten Spiele einbezogen: Vater und Tochter ertasten Distanz und Nähe, in dem sie sich gegenseitig fotografieren, ein Bild auswählen, das für ihr Verständnis vom Anderen steht: Etwas, was wir alltäglich tun, indem wir Bilder löschen (weil wir sie als unrichtig empfinden) oder aufbewahren, wird hier zu einer kleinen innerfamiliären Studie erklärt.
Und da begegnen sich, unter dem Titel XX, zwei schemenhafte Embryonen auf goldenem Grund, ein Zwillingspärchen, zusammen gesetzt aus 350 einzelnen Aufnahmen: Mutter und Tochter.
Und wieder bleibt auch hier das Bild merkwürdig spröde, auch wenn es ganz und gar nicht un-fulminant daher kommt, in diesem vielen Gold, das da zu schimmern scheint.
Janßen will uns nicht verführen, nicht wirklich in ihre Bilder, ihre mädchen- und märchenhafte Welt hinein ziehen. Denn sie bestimmt die Regeln, regelt die Distanzen, entscheidet, wie nah wir jemandem oder jemander oder einer Sache kommen dürfen.
Wohin wohl wird sie aufbrechen, wenn sie das Mädchenzimmer verlässt?
Wieder fotografiert sie ganz und gar lapidar. Es sind keine Porträts im klassischen Sinne, keine fotografischen Feiern von menschlicher Individualität. Die Fotografien dienen ganz klar der Funktion, den Texten Gesichter zuzuweisen – zu zeigen, wie ähnlich einander Mann und Frau über ein langes gemeinsames Leben werden können. Selbst ihre Handschriften scheinen sich gelegentlich zu ähneln.
Und hier wird offensichtlich, dass dieser für Janssen typische, trockene, ernsthafte, tiefe Humor für sie im Leben selbst zu liegen scheint – solange der Blick frei von Pathos und Sentiment gehalten wird. Und man muss ein wenig lächeln darüber, wie schlicht das klingen kann, was doch eigentlich die Substanz einer solchen Lebensgemeinschaft beschreibt – Tierfilme soll man schauen, gut mit Geld umgehen können und viel Sport treiben...
Es ist ein ähnlich unterschwelliger Humor im Spiel, wenn jemand eingesteht, eine eher unscheinbar anmutende Partie seines Körpers für besonders erotisch zu halten. Doch zeigt Humor sich hier als subversives Mittel, denn in diesen lapidaren, unprätentiösen, unaufgeregten Bildern liegt eine massive Abweichung von dem, was wir zu wissen glauben, was wir für normal zu halten gewohnt sind. Und schon wie bei den Glaubensorten schert es die Künstlerin nicht wirklich, ob wir die Perspektive der Erzählung nachvollziehen können – ob wir Erotik in diesen Bildern wirklich sehen können – wahrscheinlich liefe das sogar gegen ihr Interesse. Janßen will nicht verführen: Sie zeigt einfach vor, was sie heraus findet – das Leben selbst ist doch schon aufregend genug – und schert sich nicht um Playboy und Co.
Geeske Janßens Arbeiten umgibt nicht selten der Charme des Mädchenzimmers, in dem erprobt, erbastelt und erspielt wird, Triviales und Existentielles ebenso dicht beieinander liegen wie Abstürze und Höhenflüge. Diese Höhle bietet eine sichere Deckung, einen Schutzraum, aus dem heraus die Welt betrachtet wird. In ihm wird das ICH im Verhältnis zur Außenwelt immer wieder neu ertestet, und selbstverständlich sind auch die Eltern in diese ernsten Spiele einbezogen: Vater und Tochter ertasten Distanz und Nähe, in dem sie sich gegenseitig fotografieren, ein Bild auswählen, das für ihr Verständnis vom Anderen steht: Etwas, was wir alltäglich tun, indem wir Bilder löschen (weil wir sie als unrichtig empfinden) oder aufbewahren, wird hier zu einer kleinen innerfamiliären Studie erklärt.
Und da begegnen sich, unter dem Titel XX, zwei schemenhafte Embryonen auf goldenem Grund, ein Zwillingspärchen, zusammen gesetzt aus 350 einzelnen Aufnahmen: Mutter und Tochter.
Und wieder bleibt auch hier das Bild merkwürdig spröde, auch wenn es ganz und gar nicht un-fulminant daher kommt, in diesem vielen Gold, das da zu schimmern scheint.
Janßen will uns nicht verführen, nicht wirklich in ihre Bilder, ihre mädchen- und märchenhafte Welt hinein ziehen. Denn sie bestimmt die Regeln, regelt die Distanzen, entscheidet, wie nah wir jemandem oder jemander oder einer Sache kommen dürfen.
Wohin wohl wird sie aufbrechen, wenn sie das Mädchenzimmer verlässt?
Auf der Suche nach …
Fragmentierte Gedanken zu den intermedialen Arbeiten von Geeske Janßen.
Eine Textassemblage von Alba D`Urbano und Angelika Waniek.
Eine Textassemblage von Alba D`Urbano und Angelika Waniek.
2015
1. Fragment: Haare
Wie ein Scanner bewegt sich der Lichtstrahl über den unbekannten Gegenstand, langsam, fast mechanisch. In seiner Bewegung macht er die Formen eines Körpers, die Materialität einer Oberfläche sichtbar. Über den Träger liefert er uns keine Informationen. Nicht das dargestellte Objekt, sondern der abtastende Strahl steht im Bild-Fokus. Im Bild fixiert die Momentaufnahme einen Augenblick dieser Exploration. „Close up“ und Dunkelheit schneiden die Informationen aus dem Bild heraus, die für uns notwendig wären, um das Objekt zu identifizieren, um uns ein Gesamtbild der Situation zu verschaffen.
Nur das Wort, der Titel „Bauernhof“ gibt uns eine Richtung in der Suche: keine Luxus-Wohnung, kein Teppich, kein Pelz stehen im Verborgenen, sondern ein „Bauernhof“, ein Tier, vielleicht lebendig. Und Haare. Haare, die in den Makro-Aufnahmen von der Bilderserie „Eine Ecke Erotik“ zu grafischen Elementen werden, während sie der menschlichen Haut isoliert entspringen. Haare, die im Bild-Stoff, im Material verwandelt werden, um Abstraktionsformen zu entwerfen in „Adam“. Haare auf den „Talking Heads“ der Portraits der „Goldene Regel“-Paare und vielleicht auf dem Sofa der „Glaubensorte“.
Nur das Wort, der Titel „Bauernhof“ gibt uns eine Richtung in der Suche: keine Luxus-Wohnung, kein Teppich, kein Pelz stehen im Verborgenen, sondern ein „Bauernhof“, ein Tier, vielleicht lebendig. Und Haare. Haare, die in den Makro-Aufnahmen von der Bilderserie „Eine Ecke Erotik“ zu grafischen Elementen werden, während sie der menschlichen Haut isoliert entspringen. Haare, die im Bild-Stoff, im Material verwandelt werden, um Abstraktionsformen zu entwerfen in „Adam“. Haare auf den „Talking Heads“ der Portraits der „Goldene Regel“-Paare und vielleicht auf dem Sofa der „Glaubensorte“.
Kennen Sie Gelee, und Rillen die ein Messer darauf hinterläßt? An einem Ofen sitzend, der jetzt da es Sommer und warm, nicht an ist, schliesse ich die Augen. Auf dem Tisch in der Stube liegt eine Tischdecke, an den Ecken wirft sie Falten in denen ganze Hände verschwinden könnten. Ich erinnere mich an die Geschichten der Älteren über die Anstrengung die es mit sich brachte im Herbst Kartoffeln auf den Feldern, anfangs mit der Forke und später mit einem Kartoffelroder aus der Erde zu lockern um sie dann mit den Händen in einem Korb zu sammeln.
1. Fragment: Spuren
Wie Haare – filigran, fragil – wirken die vertrockneten Grasstücke, verstreut auf dem Boden. An eine Action-Painting-Malerei assoziierend dominieren sie den unteren Bildteil des zweiten Bildes der Serie „Bauernhof“, im Kot und Schneematsch eingekeilt schräge Streifen, wie Kratzer auf der Bildoberfläche. Grafische Elemente, die dem Bild eine Richtung geben, unscharf im oberen Bildteil. Spuren eines stattgefundenen Vor-Gangs im „Bauerhof“ werden zu Abdrücken von kantigen Gegenständen auf der Haut in „Eine Ecke Erotik“ und verwandeln sich in Falten in dem Nahaufnahme-Portrait des Vaters in der „Vater-Tochter“ Bildserie.
1. Fragment: Beziehungen
Grafisch und großspurig durchquert die Falte im Vatergesicht die Fotografie, wie ein Haar auf dem Bild; großporig und reflektierend ist die Haut dargestellt in der Nahaufnahme. Eingefasst in der Pose, festgehalten durch die gestochene Schärfe der Fotografie, wirkt der Blick des Vaters verletzlich und verletzt durch die Zeit. Ungreifbar die Tochter, flüchtig oder flüchtend in der Bewegung, lässt sie sich von der Unschärfe umhüllen. Keine(r) der zwei Portraitierenden schaut in die Kamera, kein Dialog wird mit dem Fotografen aufgenommen. Während der Vater den Blick in Richtung der leeren Bildfläche richtet, schaut die Tochter außerhalb des Bildausschnittes in die entgegengesetzte Richtung, quasi im Begriff die Bildoberfläche zu verlassen. Kein Dialog zwischen den Akteuren. Direkt in die Kamera gerichtet sind dagegen die Augen der interviewten Personen in der Arbeit „Die Goldene Regel“. In frontalen, fotografischen, eng geschnittenen Aufnahmen nehmen die vier Personen direkt Kontakt auf mit dem Fotografen – in vertrauter Nähe – und somit mit dem Betrachter: freundlich. Sie erfordern die Nähe des betrachtenden Körpers, vis-à-vis, auf Distanz wären die handgeschriebenen Texte unlesbar. Sie beziehen sich auf Beziehungen und nehmen damit Bezug zu dem Betrachter auf: performativ, körperlich, gelegentlich mit „Eine(r) Ecke(n) Erotik“.
Ein Paar sitzt auf einer Parkbank und zerreißt Papier. Sie formt das zerissene Papier zu Kügelchen, er wirft die Kugeln den Vögeln hin. Die Vögel, es sind Pariser Tauben, beachten die Papierkugeln nicht. Vielleicht denken sie ist es Schnee. Rhythmisch fallender Schnee der alles bedeckt und nur die Konturen der Körper und Dinge in Erscheinung treten läßt.
1. Fragment: Spiel
Die Beziehung Mutter-Tochter wird durch das Spiel mit der Collage in der Arbeit „XX“ zu einem großflächigen Bildgeflecht. Die Ausschnitthaftigkeit des fotografischen Blickes und die perspektivischen Deformationen der Linse werden verwendet um die Komplexität eines dichten, engen Beziehungsgewebes zu visualisieren. Dekorativ und anagrammatisch wirkt das Spiel mit der Zersplitterung und Multiplikation der zwei Körper, die sich wieder zusammen in kaleidoskopischen Formationen komponieren lassen. Zu erahnen ist die ursprüngliche embryonale Haltung der zwei Körper in einem bodenlosen Raum, im freien Fall und schwerelos wie die diffuse Gestalt des nackten Körpers, die sich im Bild „Sprung“ hinter der durchsichtigen Maler-Folie erahnen lässt: ambivalent die Bewegung, unklar das Geschlecht, unsicher die Richtung: vielleicht ein Sprung ins kalte Wasser?
Das Wort dünnhäutig, kommt mir in den Sinn. Und ich erinnere mich an das Bild das sich bei diesem Wort in mir auftut: Ein Elefanten, dem, balancierten auf einem Bein, zwei dicke Tränen aus den Augenwinkel schlüpfen. Die eine Träne etwas dicker und dementsprechend schneller auf der einen Seite hinabrollend als die andere.
1. Fragment: Narration
Schwebend zwischen einem Vorher und einem Nachher, dessen Ursprung im Verborgen liegt lässt uns „Sprung“ eine Geschichte erahnen, die abstrakt und undeutlich bleiben will: nur der Titel verrät uns die Handlung, aber nicht die Richtung der Zeit, oder der Bewegung. Erzählungen unterschiedlicher Art verbinden die Bilder, die Videos und die Performances von Geeske Janßen. Die einzelnen Kunstwerke visualisieren Momente innerhalb einer komplexen, vielschichtigen Narration. In der Märchenwelt von „Adam“ befinden sich vielleicht die gleichen Akteure, die im „Jugendzimmer“ agieren, und die „Glaubensorte“ der evangelischen Pastoren befinden sich möglicherweise nebenan: das Sofa und die Stehlampe, das Neonlicht und die Werkstatt, die Kerze und der Laminattisch, der Meereshorizont. Die Glaubensorte sind menschenleer, gefärbt sind die Fotos durch das Licht der jeweiligen Beleuchtungsmittel, ohne jegliche Filterkorrektur sind sie Zeugen eines nicht darstellbaren menschlichen psychischen Zustands.
Schwebend zwischen einem Vorher und einem Nachher, dessen Ursprung im Verborgen liegt lässt uns „Sprung“ eine Geschichte erahnen, die abstrakt und undeutlich bleiben will: nur der Titel verrät uns die Handlung, aber nicht die Richtung der Zeit, oder der Bewegung. Erzählungen unterschiedlicher Art verbinden die Bilder, die Videos und die Performances von Geeske Janßen. Die einzelnen Kunstwerke visualisieren Momente innerhalb einer komplexen, vielschichtigen Narration. In der Märchenwelt von „Adam“ befinden sich vielleicht die gleichen Akteure, die im „Jugendzimmer“ agieren, und die „Glaubensorte“ der evangelischen Pastoren befinden sich möglicherweise nebenan: das Sofa und die Stehlampe, das Neonlicht und die Werkstatt, die Kerze und der Laminattisch, der Meereshorizont. Die Glaubensorte sind menschenleer, gefärbt sind die Fotos durch das Licht der jeweiligen Beleuchtungsmittel, ohne jegliche Filterkorrektur sind sie Zeugen eines nicht darstellbaren menschlichen psychischen Zustands.
Vor einem Laden steht eine Frau, sie beugt sich über die Orangen, nimmt jede einzelne in die Hand und unterzieht sie einer Prüfung, die mir nicht ganz einleuchtend erscheint. Sie dreht und wendet die Orangen und hält sie dann in die Sonne. Daneben ein Bild mit gelben Zitronen in einer blauen Plastikschale. Daneben ein weiteres Bild, ein Mann mit einer Schürze um den Bauch. Die Hemdsärmel nach oben gekrempelt. Und immerzu kauend steht er von Zeit zu Zeit auf, nimmt eine Sprühflasche und besprüht das Obst mit Wasser.
1. Fragment: Märchenwelten
Im Mittelpunkt steht das unsichtbare zwischenmenschliche Kommunikationsgefüge. Die sichtbaren, akustischen und visuellen Fragmente sind Dokumente von Stattgefundenem, Nachweise einer Recherche, die die unmittelbare Umgebung der Künstlerin spielerisch ins Licht rückt und in Szene setzt. Die dokumentierenden Spuren der Recherche werden zu Versatzstücke eines unerfahrbaren „Theatrum Mundi“, die uns Geeske Jansen nur fragmentarisch wahrnehmen lässt, wie es in der installativen Performance „Jugendzimmer“ der Fall ist. Ein märchenhaftes Theater, in dem sie als Akteurin auftritt, dem Betrachter die Position des Voyeurs überlässt. Wie Alice saugt sie die Besucher ihrer künstlerischen Inszenierungen in Wunder-länder hinein, die einen traumähnlichen Charakter haben. Gelegentlich bietet sie ihnen die Möglichkeit im Spiel mitzumachen, aktiv an der Kommunikation teilzunehmen, wie in ihrer performativen Installation „Zuckerwatte, Fuchs und Spiegelei“.
Im Mittelpunkt steht das unsichtbare zwischenmenschliche Kommunikationsgefüge. Die sichtbaren, akustischen und visuellen Fragmente sind Dokumente von Stattgefundenem, Nachweise einer Recherche, die die unmittelbare Umgebung der Künstlerin spielerisch ins Licht rückt und in Szene setzt. Die dokumentierenden Spuren der Recherche werden zu Versatzstücke eines unerfahrbaren „Theatrum Mundi“, die uns Geeske Jansen nur fragmentarisch wahrnehmen lässt, wie es in der installativen Performance „Jugendzimmer“ der Fall ist. Ein märchenhaftes Theater, in dem sie als Akteurin auftritt, dem Betrachter die Position des Voyeurs überlässt. Wie Alice saugt sie die Besucher ihrer künstlerischen Inszenierungen in Wunder-länder hinein, die einen traumähnlichen Charakter haben. Gelegentlich bietet sie ihnen die Möglichkeit im Spiel mitzumachen, aktiv an der Kommunikation teilzunehmen, wie in ihrer performativen Installation „Zuckerwatte, Fuchs und Spiegelei“.
Herr Petzold war mit mit einer Kröte verheiratet. Sie eroberte in dem Moment sein Herz als er von der Tischdecke aufblickte, nachdem er die dort stehende Teetasse an sich genommen hatte und den hellbraunen Ring den die Tasse hinterließ entdeckte. Sich selbst noch fragend warum er gern an Orte ging und an andere nicht, sah er die Kröte. Der Käfer faltete seine eben zu lesen begonnene Zeitung zusammen und rückte seine Brille zurecht die er im Handumdrehen zu einem Mikroskop und in einer entgegengestzten Bewegung zu einem Fernglas umfunktioneren konnte. Er beugte sich zu seiner Zuhörerschaft „Durchsichtigkeit“ sprach er , „ist eine tragende Eigenschaft von Dingen die der Zerbrechlickheit ausgesetzt sind.
1. Fragment: Medium
Mitsprache, Mitrede und Kommunikation sind nicht nur wichtige Elemente im performativen Output der Arbeiten von Geeske Jansen, sie sind ein wesentlicher Aspekt ihres partizipatorischen Ansatzes im Prozess der Herstellung ihrer intermedialen Arbeiten, wie es in der Installation „Bauernhof“ der Fall ist. Für diese Installation hat sie Familien die von der Landwirtschaft leben eine Reihe von Fragen gestellt und diese als Audiofragment in der Installation integriert. Partizipatorisch agiert die Künstlerin fast in allen ihren intermedialen Arbeiten, wie z. B. in ihren Fotoserien „eine Ecke Erotik“, oder in „XX“, oder auch in „Glaubesorte“ oder in „Die Goldene Regel“: Vater, Mutter, Freunde, Bekannte, alle machen mit... . Sie ist das „Medium“, das Bilder, Töne, Textausschnitte, in einem Gesamtbild, in ein Panorama verwandelt, der ausschnitthaft für uns von mal zu mal beleuchtet wird... Wie ein Scanner bewegt sich der Lichtstrahl über den unbekannten Gegenstand, langsam, fast mechanisch auf der Suche nach...
Gehen Sie zu Menü. Drücken Sie Exit. Dann zu Filteroptionen. Drücken Sie wieder Exit. Und dann beim Auswahlrad zu Warmth. Herzlichkeit, so einer der Janßen`schen Filter.
Sarah Wessel über Inside Out, Videoinstallation in der Galerie Gerken, Berlin
2017
2017
Geeske Janßens künstlerische Arbeiten sind eine Untersuchung des Daseins, ein Finden und Aufzeigen von Spuren des Menschlichen. Im Zentrum steht das Individuum als soziales Wesen mit eigenen Wahrheiten, Verletzlichkeiten und Geheimnissen. Auf eine dokumentarische Weise untersucht die Künstlerin in ihren Foto- und Videoarbeiten die Lebensrealitäten von Personen aus den unterschiedlichsten Alters- und Gesellschaftsbereichen. Ein wiederkehrendes Moment in Janßens Oeuvre ist das Verhältnis des Selbst zur Außenwelt. Auf eine klare und nüchterne Weise zeigt sie dem Betrachtenden das Innenleben der von ihr fotografierten oder gefilmten Personen. Feinsinnig legt sie dabei den Fokus auf die Wesenheit, die innere Natur der Portraitierten, ohne die Darstellung mit Pathos oder aufgesetzter Sentimentalität aufzuladen. Janßen verfolgt eine unangestrengte, zuweilen fast karge Formensprache die Raum für die tiefgründigen und nachdenklichen Thematiken gibt, mit denen sie sich beschäftigt: Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Und vor allem, wie möchten wir von unserer Umwelt gesehen werden? Das sind Fragen, um die sich die Videoarbeit Inside out kreist. In 22 Videos werden den ProtagonistInnen diverse Fragen aus einem Katalog gestellt, die sie stillschweigend für sich selbst beantworten. Es geht dabei um unangenehme Sachverhalte, die stets gesellschaftlichen Tabuthemen entlehnt sind: „Was würdest Du niemandem erzählen? Mit wem aus deiner Familie würdest Du am ehesten schlafen? Hast Du schon ein Kind verloren/abgetrieben? Denkst Du manchmal an das Kind? An was glaubst Du? Gott? Rache? Gerechtigkeit? Gibst Du deine Fehler zu? Wem bist Du arrogant gegenüber? Wem fühlst Du dich überlegen? Und warum?“ Die Wesensveränderung der Gefilmten, die sich über Mimik und Gestik ausdrückt, wird in Zeitlupe aufgezeigt, das Innen nach Außen gebracht und so die Fassade, hinter der sich jeder Mensch in unangenehmen Situationen versteckt, durchbrochen. Gleichzeitig thematisiert Janßen eben jene Fassade und damit einhergehend die Frage nach der eigenen Präsentation. Täglich nutzen wir Facebook, Instagram oder Twitter, um uns selbst darzustellen und mitzuteilen; wir veröffentlichen Posts, die klar kalkuliert und inszeniert sind, damit wir von unserer besten Seite zu sehen sind.
Inside out möchte weder eine gute noch eine schlechte Seite der Menschen zeigen, sondern intime Gedankengänge über das eigene Sein sichtbar machen.